In wenigen Minuten wird die Show beginnen – ein weiteres Mal wird das Publikum vor Begeisterung über den «Space Dream» toben. Einer der «Cruhls» im Badener Erfolgsmusical heisst Anne-Violaine Mesey. Wenige der jubelnden Zuschauer werden wohl wissen, was diese Frau mit dem flammenden roten Haar und den rassigen Gesichtszügen alles durchgemacht hat. Aber eben, manchmal trügt die Fassade. «Les clowns sont tristes», wie die in Niederglatt wohnhafte Genferin selber sagt.
Schon bei der Geburt ist Anne-Violaine nur knapp mit dem Leben davon gekommen. In der Kindheit nannten sie alle «schwarzes Entlein», weil sie immer etwas anders war als die anderen und ihre eigenen Ideen hatte. «Ich war eigentlich eine sehr gute Schülerin – ausser in den Sprachen», erinnert sie sich. Letzteres glaubt man ihr kaum, da sie, wenn auch mit einem reizenden welschen Akzent, perfekt Deutsch spricht.
Nach verschiedenen Ausbildungen in Kunst und Kunstgeschichte sowie als Ergotherapeutin arbeitete sie tagsüber in einem Spital, nachts in einem Dancing, um dort mit ihrem Freund, einem erfolgreichen Pariser Musiker und Sänger, zusammenzusein. Die Beziehung brach auseinander, worauf sich Anne-Violaine mit einer Artistentruppe auf Europa-Tournee begab. Während den fünf strapazenreichen Jahren verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand drastisch. Zahlreiche Abnutzungserscheinungen machten sich bemerkbar, ihre Glieder schmerzten von ihren Auftritten als Schlangenmensch.
«Eine weitere Beziehung führte mich 1986 nach Zürich, wo ich als Floristin zu arbeiten begann. Eine chronische Sehnenscheidenentzündung machte mir aber wieder einen Strich durch die Rechnung», berichtet Anne-Violaine weiter. «In einer Farbenfabrik fand ich einen neuen Job, wo ich aber wegen starken Allergien und Chemikalienvergiftungen aufhören musste.»
Schon lange habe sie sich wieder nach der Bühne zurückgesehnt. Der Einstieg sei aber sehr schwierig gewesen. «Bei ‹Cats› durfte ich hinter der Bühne als Allrounderin mithelfen, dann bei ‹Jeff› als Beleuchterin.»
Langsam machte ihr das Leben wieder Spass. Doch das nächste Unglück liess nicht lange auf sich warten: bei einem Unfall erlitt Anne-Violaine eine schwere Kopfverletzung. Gleichgewichtsprobleme verunmöglichten ihr es, weiter als Beleuchterin zu arbeiten. Um über die Runden zu kommen, verteilte sie an den «Space Dream»-Aufführungen Flyer für «Jeff».
Dabei kam sie in Kontakt mit der «Space Dream»-Crew. Sie wurde angefragt, ob sie im Chor mitmachen wolle. «Ich konnte doch nicht singen, obwohl es schon immer mein Traum war. An Weihnachten hatte ich mich früher immer hinter dem Liederbuch versteckt», erinnert sie sich schmunzelnd. «Die erste Probe lief auch nicht sehr gut, bis man feststellte, dass ich immer in der falschen Stimmlage gesungen hatte. Im Sopran war ich ganz akzeptabel und in den Gesangsstunden entwickelte sich meine Stimme erstaunlich gut.»
Seitdem ist sie also dabei, zuerst bei den «Tetons», dann bei den «Cruhls». «Ich habe bei ‹Space Dream› eine neue Familie gefunden. Diese Menschen bedeuten mir sehr viel und helfen mir über manche Probleme hinweg», sagt die 34-Jährige nachdenklich.
«Les clowns sont tristes – die Clowns sind traurig. Ich bin ein Optimist, aber das heisst nicht, das ich glücklich bin. Eigentlich jede Nacht wache ich wegen meiner Schmerzen auf und frage mich, wie es weiter gehen soll. In den letzten 15 Jahren war ich sechs Tage in den Ferien. Ich weiss nicht, was ich ohne die Bühne, ohne meine Freunde, ohne ‹Space Dream› machen würde.»
Wieder ist eine Vorstellung zu Ende. Wieder freuen sich die Darsteller über den nicht enden wollenden Applaus. Ganz hinten wischt sich einer der «Cruhls» eine Träne ab.